Der Frauenverein Männedorf berichtet

Ausflug ins Paraplegiker Zentrum Nottwil 16. Mai 2018

Das Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) in Nottwil ist Europas grösste Klinik für Akutmedizin, Rehabilitation und Integration querschnittgelähmter Menschen. Der Besuch des SPZs ist eine sehr eindrückliche, prägende Erfahrung. Wir - rund 20 Frauen des Vereins - nahmen diese Gelegenheit wahr und machten uns bei wolkenverhangenem Himmel auf nach Sursee. Nach der kurzweiligen Zugfahrt ging die Reise mit Ross und Wagen weiter. Trotz des unfreundlichen Wetters genossen wir die gemütliche Fahrt über Land, entlang des Sempachersees, nach Nottwil. Bei Kaffee und Gipfeli wurde gesungen, erzählt und diskutiert. Nach anderthalb Stunden erreichten wir gut gelaunt das Paraplegiker-Zentrum.

Nach dem Mittagessen beginnt unser Rundgang und wir werden von Tim Shelton abgeholt, welcher uns zuerst anhand einer Präsentation das SPZ vorstellt. Oft ist es nur ein Augenblick, der das Leben für immer verändert. Nottwil ist weltweit einzigartig, was die ganzheitliche Reha anbelangt. Im SPZ ist alles unter einem Dach und man bekommt Hilfe von allen Seiten: Ärzten, Psychologen, Seelsorgern, Anwälten, Architekten etc. Rund 1500 Mitarbeitende betreuen ca. 150 Patienten. Die Aufenthaltsdauer beträgt für Paraplegiker rund 5 bis 6 Monate, für Tetraplegiker ca. 9 bis 13 Monate. Auch nach ihrem Austritt werden sie weiterhin vom SPZ betreut und begleitet. Rund 1.8 Mio. Mitglieder unterstützen die Stiftung, welche überall dort einspringt, wo die Versicherung nicht zahlt.

Unser Führer Tim ist uns mit seiner aufgeschlossenen und gewinnenden Art von Anfang an äusserst sympathisch. Er bezeichnet sich selber als „Rollifahrer“ und ist offen für alle unsere Fragen. Er erzählt über die verschiedenen Schwierigkeiten und Herausforderungen im Alltag eines Rollstuhlfahrers. Seit 30 Jahren ist er selbst nach einem Motorradunfall an den Rollstuhl gebunden. Seine Begeisterung fürs Rugby führte ihn ins SPZ, wo er heute als Peer arbeitet. Als Lebensberater gibt er anderen Betroffenen Tipps, wie sie kleine und grosse Hindernisse überwinden können. Dabei gibt es für ihn keine Tabuthemen.

Tim führt uns durch das SPZ und zeigt uns die verschiedenen Bereiche und Stationen. Wir gehen durch die langen Gänge, vorbei an den diversen Räumlichkeiten der Physiotherapie und lassen die Eindrücke auf uns wirken. Wir sind betroffen von den einzelnen Schicksalen. Die Frage, wie man mit einem solchen Schicksalsschlag umgeht, beschäftigt uns. „Man hat keine andere Wahl“ meint Tim pragmatisch, „das Leben wird anders, aber der Mensch bleibt sich selber, mit allen seinen Bedürfnissen und Wünschen.“ Wichtig sei es, mit seiner Lage zurecht zu kommen, gesund zu werden und das Zentrum als selbständige Person zu verlassen. Querschnittsgelähmte müssen den Umgang mit körperlichen Erschwernissen im Alltag lernen. Die Reha hilft, wieder Fuss zu fassen im Leben und ermutigt die Betroffenen, einen neuen Weg für sich zu finden.

Tim demonstriert uns geschickt, wie er Stufen und Treppen bewältigt und schildert uns anschaulich, wie er mit dem Rollstuhl ins Auto einsteigt. Das Auto, betont er, sei das zuverlässigste Verkehrsmittel und wichtig für die mobile Unabhängigkeit. Es sei nie falsch, jemandem Hilfe anzubieten, meint er. Man dürfe jedoch nicht beleidigt sein, wenn diese abgelehnt würde. Ausserdem wünscht er sich, dass man den „Rollifahrern“ auf Augenhöhe begegnet und sie als normale Menschen behandelt. Der Rundgang endet im Sportzentrum bei den Turnhallen, wo gerade das Basketballtraining in vollem Gange ist. Zum Abschluss zeigt uns Tim noch seinen Rugbyrollstuhl, welchen wir ausprobieren dürfen. Der Nachmittag im SPZ war sehr eindrücklich und lehrreich. Tief beeindruckt machten wir uns auf den Heimweg. Wir sind uns einig: Das Paraplegiker-Zentrum in Nottwil ist mit seiner ganzheitlichen Reha einzigartig und unbedingt zu unterstützen!

Christine Abegg

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